Die berühmte Autorin und Kulturkritikerin Susan Sontag bespricht in ihrem Essay Fotografische Evangelien des Buches Über Fotografie nicht nur den geschichtlichen Verlauf der Fotografie in der Kunstszene, sondern auch die unterschiedlichen oft widersprüchlichen Meinungen darüber was Fotografie als Kunst letztendlich ausmacht.
Im Bezug auf das Verständnis von guter, künstlerisch wertvoller Fotografie gab es häufig gegensätzliche Ansichten. So beschreibt Susan Sontag, dass manche Künstler es vorziehen intuitive zu arbeiten, andere dagegen methodisch vorgehen. Einige Fotografen sind der Ansicht man müsse das Motiv, welches es zu fotografieren gilt, sehr gut kennen, andere wiederum meinen, man müsse das Motiv zum ersten Mal gesehen habe.
Weitere unterschiedliche Sichtweise, die im Buch ausführlich beschrieben werden, beziehen sich auf:
- Absicht und Vorsatz bei der Vorgehensweise im Gegensatz zum zufällig entstandenen Bild
- detailliertes Wissen um die Technik der Fotografie im Gegensatz zur Kreativität
- Fotografie als individuelle und einzigartige Ausdrucksweise im Gegensatz zur Fotografie als Mittel um die Welt von einer neuen Perspektive zu sehen
Letzteres ist ein besonders wichtiger Aspekt für viele Fotografen, welche die Realität als etwas Verborgenes ansehen, das nur durch Fotografie, aber nicht durch das bloße Auge enthüllt werden kann.
Bewaffnet mit ihren Maschinen, sollen die Fotografen die Wirklichkeit attackieren – eine Wirklichkeit, die als widerspenstig, als nur scheinbar vorhanden, als unwirklich empfunden wird.
Dieses Zitat verdeutlicht zum einen den realitätsoffenbarenden Aspekt der Fotografie. Zum anderen werden einige der negativen Seiten der Fotografie, wie Aggressivität oder Ausbeute, klar, welche durch eine verschönerte Sichtweise, die des Fotografen als „idealem Betrachter“, oftmals kaschiert werden.
Im Gegensatz zu anderen Kunstrichtungen, wie z.B. der Malerei, haben Fotografien weniger formal objektive Kriterien, welche ein Kunstwerk bewertbar machen. Der Künstler an sich tritt in den Hintergrund, da er über verschiedene Fotoserien hinweg meist keinen klar erkennbaren, einheitlichen Stil hat. So tragen Fotos keine eindeutige Handschrift eines bestimmten Künstlers. Im Gegenteil Fotografie zeichnet sich sogar dadurch aus, dass es sehr viele verschiedene Stile gibt, wobei das Problem entsteht, dass ausgestellte Werke zu „Studien über die Möglichkeiten der Fotografie“ degradiert werden.
Nichtsdestotrotz, beschreibt Susan Sontag einige der Maßstäbe, nach denen gute Fotografien beurteilt werden:
Das fotografische Sehen, d.h. die Fähigkeit der Kamera zu sehen, spielt eine zentrale Rolle, technische Kriterien sowie auch Schönheit fallen weg.
- Neues
- Einzigartiges
- eine Aura oder Präsenz
- Verlauf der Zeit, je älter desto wertvoller
Susan Sontag kommt zu dem Schluss, dass die Fotografie keine Kunst ist, sondern an sich ein inhaltsloses Medium …
…durch das (unter anderem) Kunstwerke vermittelt werden.
Obwohl selbst keine Kunstform, hat die Fotografie die eigentümliche Fähigkeit, all ihre Gegenstände in Kunstwerke zu verwandeln.
Das Buch Über Fotografie ist im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen.
Deine Gedanken zu diesem Thema